Social-Media, Datenschutz und Verantwortung Interview mit Prof. Dr. Dr. Alexander Moutchnik

Social-Media, Datenschutz und Verantwortung
Interview mit Prof. Dr. Dr. Alexander Moutchnik

Prof. Dr. Dr. Alexander Moutchnik ist Professor für Medienwirtschaft und Medienökonomie an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden. Auf dem 3. Deutschen CSR-Kommunikationskongress ist Prof. Moutchnik Gast im Workshop „Verantwortungsvolle Kommunikation zwischen Daten-Leaks und Fake-News“.

Angesichts der breiten Nutzung von Facebook, WhatsApp, Instagram oder dem Vertrauen gegenüber Alexa und Siri scheint Datenschutz bei den Verbrauchern keine große Rolle zu spielen. Warum sollten sich CSR-Abteilungen und Kommunikatoren dennoch damit beschäftigen?

Der Umgang mit dem Datenschutz weist auf den Grad der gesellschaftlichen Verantwortung in einem Unternehmen hin, denn Datenschutz bedeutet Respekt, Vertrauen, Sicherheit und Zukunft. Mit dem Übergang zum Digitalzeitalter ist es sehr leicht geworden, Daten zu produzieren, zu sammeln, aufzubewahren und zu managen. Ebenso leicht ist das Kopieren, das Klauen und das Manipulieren von Daten geworden. Frei nach dem klassischen Aufsatz von Theodore Levitt aus dem Jahre 1960 „Marketing Myopia“, kann unternehmerische Praxis in mehreren Fällen als „Data Myopia“ bzw. „Daten Kurzsichtigkeit“ bezeichnet werden. Nur Unternehmen mit Weitsicht und 360-Grad-Orientierung im Bereich des Datenmanagements können Kundenbindung und Stakeholderbeziehungen strategisch nachhaltig gestalten.

Das Auswerten von großen Datenmengen gilt als einer der Erfolgstreiber in der Zukunft. Daten sind ein neuer Produktionsfaktor. Trotz aller erdenklichen Datenschutzbemühungen kann Missbrauch jedoch nie 100 %ig ausgeschlossen werden, der nur durch Verzicht auf Erhebung und Auswertung von Daten auszuschließen ist. Wie sollen Unternehmen mit diesem Dilemma umgehen?

Eine Abstinenz in Hinblick auf Datenerhebung und Auswertung kann hier kontraproduktiv wirken, denn eine solche Strategie kann Daten gerade in sensiblen und risikoreichen Bereichen angreifbar machen. Im Gegenteil kann eine konsequente Vermehrung der Datenmenge eine notwendige Schutzschicht oder Mantel für die sensiblen Daten bilden und so eine etwaige Missbrauchsabsicht durch die neu entstandene Datenkomplexität unmöglich machen.

Die sozialen Medien ermöglichen neue Formen der Kommunikation mit den Stakeholdern. Was sollten Unternehmen beachten, wenn sie dafür mit Influencern zusammenarbeiten oder Chat-Bots einsetzen?

Mit ihrem Eintritt in die Welt der Social Media, welche vor allem für die Vernetzung von natürlichen Personen gedacht war, bekommen Unternehmen als juristische Personen und Institutionen neue Eigenschaften und neue Gestalt. Die Social-Media-Umgebung verleiht den Unternehmen einen für sie sonst irrealen und absurden Wunsch nach Zuneigung in der Form von Likes und nach der Knüpfung von freundschaftlichen – und nicht etwa geschäftlichen – Beziehungen. Unternehmen beschäftigen sich in Social-Media nunmehr damit, ob sie in Facebook jemanden „anstupsen“ wollen oder nicht. Die Social-Media verleihen den Unternehmen den Zugang zum wahren menschlichen Leben, zur Lebensfreude und auch zum Lebensmut. Im Hintergrund der unternehmerischen Accounts stehen aber immer konkrete Personen, die in der Regel für die Kommunikationspolitik im Unternehmen zuständig sind und die ihre Identitäten häufig hinter dem offiziellen Auftritt des Unternehmens in Social Media verbergen. Social-Media-Kommunikationspolitik wird aber nur dann als authentisch und damit auch als gelungen aussehen und angesehen werden, wenn die dafür zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur im Namen ihres Unternehmens, sondern zugleich auch in ihren eigenen Namen agieren und interagieren. Gerade in Social-Media sollte der Mensch mit seinen Bedürfnissen, Zweifeln, Wünschen, Sorgen und mit seiner Selbstironie vor allem in der Stakeholder-Kommunikation seitens des Unternehmens nicht fehlen. Eine zu enge Bindung eines Unternehmens an einen Influencer kann die unabhängige und freie Urteilskraft dieses Influencers wesentlich schmälern, wodurch es sogar zu einem Vertrauensbruch und folglich zum Verlust des Influencer-Status kommen kann. Eine Entlarvung des ungeschickten Einsatzes von Chatbots kann zu einem ähnlichen Effekt führen, wonach sich die als wirtschaftlich sinnvoll angesehene Einführung von Chatbots durch den dadurch verursachten Vertrauensverlust in die Kommunikationsfähigkeit eines Unternehmens eher als rufschädigend statt als ökonomisch relevant entpuppen kann.

 

Foto: Prof. Dr. Dr. Alexander Moutchnik

CSR-Kommunikation im internationalen Vergleich Interview mit Dr. Tim Breitbarth

CSR-Kommunikation im internationalen Vergleich
Interview mit Dr. Tim Breitbarth

Dr. Tim Breitbarth hält einen PhD in Marketing von der University of Otago und einen M.A. Sozial- und Kommunikationswissenschaften von der Göttingen Universität. Er war Gastprofessor und Gastwissenschaftler an Universitäten weltweit, von der University of Otago in Neuseeland bis zur Universität zu Koeln. Er ist Scientific Chair der European Association for Sport Management.

Dr. Breitbarth ist Teil des Organisationsteams des 4. Deutschen CSR-Kommunikationskongresses.

Sie haben schon in einer Reihe von Ländern gearbeitet und hatten damit immer die Möglichkeit von außen auf Deutschland zu schauen. Was fällt dabei (im Vergleich zu Neuseeland, Australien oder England) besonders im Hinblick auf die CSR-Kommunikation auf?

Über Jahre und insbesondere zu Beginn der modernen CSR vor etwa 20 Jahren war eine explizitere und konkretere Kommunikation in markliberal-geprägten Ländern wie Großbritannien zu beobachten. Kommunikation war pragmatischer und wurde als intrinsischer Teil der Organisation und Umsetzung eigener Aktivitäten gesehen. Das unternehmerische und Großteils auch gesellschaftliche und politische Umfeld hat dies akzeptiert. Deutschland ist da kritischer und zum Beispiel haben meine eigene Forschung gezeigt, dass der Skeptizismus gegenüber organisatorischen CSR-Botschaften hierzulande größer ist als in westlichen europäischen Nachbarländern und der USA.

Wenn Sie sich den Anteil der CSR-Kommunikation an der gesamten Unternehmens- und Markenkommunikation anschauen: wie zufrieden sind Sie mit Qualität und Quantität?

Eine vergleichsweise Stärke des deutschen Umfeldes ist, sich auf Diskussionen einzulassen und Balancen zu wahren. Dass kommt aktivitätsinterner Kommunikation und dem sektorübergreifenden Partnerschaftsmanagement zugute. Ansonsten hängt eine Antwort meiner Ansicht nach davon ab, welche Rolle und welchen Stellenwert CSR und Nachhaltigkeit in einem Unternehmen haben. Die interne Bedeutung von Kommunikation und ihre extern wahrgenommene Wichtigkeit und Wahrhaftigkeit hängt zum guten Teil am Tropf der Substanz, die den hinterlegten Inhalten der Kommunikation im gesamten Unternehmenshandeln fortlaufend gegeben wird. Ich überrasche sicherlich nicht mit der Aussage, dass in dieser substantiellen Hinsicht bei weiten Teilen der Wirtschaft noch Luft nach Oben ist.

Was können aus Ihrer Sicht die CSR-Kommunikatoren und CSR-Manager in den Unternehmen verbessern, um einen stärkeren Einfluss auf Produkt- und Geschäftsmodellentscheidungen zu bekommen?

Aus Sicht derer, die sich weitreichender global-gelebter Nachhaltigkeit verschrieben haben ist dies ein wichtiges Ziel: transformativer Einfluss auf die zentralen Paradigmen, Prozesse und Produkte unseres Wirtschaftssystems. Einerseits könnten wir hier diskutieren wie tief ein wirkungsvoller Einfluss reichen würde und in wie weit er mit vorherrschender Wirtschaftslogik und einer ökonomisierten Gesellschaft in Konflikt geraten würde. Andererseits und konkret mögen es Verantwortlich wagen neue Zusammenhänge innerhalb bestehender Management- und Geschäftslogiken zu erkunden und so Rückhalt für Neuausrichtungen zu schaffen. Insbesondere wie Aktivitäten im Zusammenhang mit CSR der Organisation auch an anderer Stelle guttun, beispielsweise Abläufe zu verbessern, Wissen zu generieren oder neue Märkte zu erschließen. Es mag sich für Manche unzureichend anhören, stetig einen ‘business case’ für CSR zu entwickeln, aber zumindest innerhalb existierender Logiken ist dies ein Weg Richtung Einfluss und Verankerung – und, wer weiß, auch Transformation.