Frage 1:  Seit vielen Jahre engagieren Sie sich u. a. für Frauenrechte und faire Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie. Welche Veränderungen nehmen Sie hier wahr und welche Wirkungen erwarten Sie vom deutschen Lieferkettensorgfaltsgesetz? 

Dr. Burckhardt: Es hat sich viel getan in den letzten Jahren sowohl bei den Konsumentinnen, die ein höheres Bewusstsein haben und heute wissen wollen unter welchen Arbeitsbedingungen ein Kleidungsstück hergestellt wird und welche Umweltschäden damit verursacht werden. Aber auch den Unternehmen ist inzwischen klar, insbesondere mit der Verabschiedung des Lieferkettengesetzes (LKG), dass sie unternehmerische Sorgfaltspflichten für ihre Lieferkette haben. Auch diejenigen, die sich bisher nicht um das Thema gekümmert haben, sind nun gesetzlich dazu verpflichtet und hierzu hat stark das LKG beigetragen. 

Frage 2:  Die Bundesregierung hat in den Jahren 2018 bis 2020 die Umsetzung des Nationalen Aktionsplans Menschenrechte untersucht und ist zu dem (enttäuschenden) Ergebnis gekommen, dass weit weniger als 40 % der betroffenen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern die freiwillige Selbstverpflichtung zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht in der Lieferkette eingegangen und erfüllt haben. Das jetzige Lieferkettensorgfaltsgesetz verpflichtet nur Unternehmen ab 3000 Mitarbeitern (ab 2024 ab 1000 Mitarbeitern). Welche Ausstrahlungseffekte erwarten Sie für kleinere Unternehmen und wie können diese gestärkt werden? Was erwarten Sie von der kommenden EU-Gesetzgebung? 

Dr. Burckhardt: Auch wenn das deutsche LKG nur große Unternehmen in die Pflicht nimmt, hat dies Auswirkungen auf die kleineren Unternehmen, die ja oft die großen beliefern, weil die großen Unternehmen sie verpflichten, die Vorgaben des LKG einzuhalten. Derzeit werden z.B. fast überall die Verhaltenskodizes überarbeitet. Eine Unterstützung für alle Unternehmen, ob groß oder klein, bietet das Textilbündnis an, wo kostenlose Seminare angeboten und spezifische Leitlinien zu einzelnen Fragen erstellt werden. 

Die kommende EU-Gesetzgebung hat einen weiter reichenden Vorschlag für ein LKG gemacht, der u.a. auch zivilrechtliche Klagen von Betroffenen gegen Unternehmen in Europa ermöglicht. Auch berücksichtigt er besser Genderaspekte, hier hat das deutsche LKG große Lücken. Ich gehe davon aus, dass das deutsche LKG sich an die EU-Richtlinie anpassen muss. 

Frage 3: Ob sich für ein Unternehmen die Achtung der Menschen- und Arbeitsrechte in der Lieferkette auszahlt, hängt maßgelblich auch von der Kaufentscheidung des Konsumenten ab. Gerade bei Textilien scheinen jedoch andere Kriterien wie Preis, Aussehen und Mode entscheidender zu sein. Mit welchen Maßnahmen können Unternehmen ihre vielleicht vorbildliche Haltung den Endkunden kommunizieren? 

Dr. Burckhardt: Ausschlaggebend ist Transparenz. Unternehmen sollten mit Hilfe eines QR-Codes ihre Lieferkette für die Konsument*innen nachvollziehbar machen und auch im Detail die Arbeitsbedingungen auf der jeweiligen Stufe der Verarbeitung dokumentieren. Der Preis ist bei ökologisch und fair hergestellten Produkten nicht unbedingt viel höher, sondern hängt vor allem von der Menge ab. Grundsätzlich müssen wir aber weniger kaufen und es muss weniger produziert werden, weil kein Mensch mehr all die Kleidungsstücke tragen kann, rund die Hälfte wird ja vernichtet. Dies ist ein ökologischer Wahnsinn, schadet unserem Planeten und beutet insbesondere Frauen mit Hungerlöhnen aus. Das Wirtschaftsmodell muss von Grund auf verändert werden.

 Dr. Gisela Burckhardt ist Referentin im Workshop Berichterstattung im Rahmen des Lieferkettengesetzes

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